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Rücknahme einer Aufenthaltserlaubnis und Verlust der Staatsangehörigkeit

Die aus der Ukraine stammende Klägerin erhielt 1992 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Ihr im Jahr 2000 geborener Sohn erwarb nach § 4 Abs. 3 StAG durch seine Geburt im Inland aufgrund des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin seit acht Jahren und ihres Besitzes der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis die deutsche Staatsangehörigkeit. Im Oktober 2001 nahm die Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin mit Wirkung für die Vergangenheit mit der Begründung zurück, sie habe die Aufenthaltserlaubnis durch falsche Angaben über ihre Herkunft erschlichen. Gleichzeitig wurde die Klägerin ausgewiesen. Auch wurde ihr und ihrem Sohn die Abschiebung in die Ukraine angedroht. Das Verwaltungsgericht und das OVG haben die Klagen der Mutter und des Kindes abgewiesen. Die Klägerin habe die Aufenthaltserlaubnis durch die Vorlage einer unrichtigen Geburtsurkunde erschlichen. Die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis mit Wirkung für die Vergangenheit führe zum rückwirkenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ihres Sohnes.

Mit ihrer Revision wandten sich die Kläger nur noch gegen die rückwirkende Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis der Mutter und die Abschiebungsandrohung gegenüber dem Sohn. Sie machten u.a. unter Berufung auf Art. 16 GG und die Rechtsprechung des BVerfG zur Rücknahme erschlichener Einbürgerungen (Urt. v. 24.05.2006 – 2 BvR 669/04 = RÜ 2006, 383) geltend, wegen eines Fehlverhaltens der Eltern könne den Kindern die einmal durch Geburt kraft Gesetzes erworbene deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden.

Das BVerwG hat die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis der Mutter für die Vergangenheit sowie die Abschiebungsandrohung gegen den Sohn aufgehoben. Es hat entschieden, dass die Aufenthaltserlaubnis zwar rechtswidrig erteilt wurde und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für deren Rücknahme vorliegen, die Ausländerbehörde aber das gesetzlich vorgeschriebene Ermessen nicht ausgeübt habe. Dem angegriffenen sei ist nicht zu entnehmen, dass sie sich des Erfordernisses einer Ermessensentscheidung bei der Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis überhaupt bewusst war. Es fehle an der notwendigen Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen und den schutzwürdigen privaten Belangen, namentlich im Hinblick auf den minderjährigen Sohn, vor allem wegen der Auswirkung der Entscheidung auf dessen deutsche Staatsangehörigkeit. Da die Rücknahmeentscheidung aufgehoben wurde, besteht die deutsche Staatsangehörigkeit des Sohnes fort. Die gegen diesen gerichtete Abschiebungsan-drohung konnte folglich keinen Bestand haben.

Offengelassen hat das BVerwG, was im Falle einer mit ausreichenden Ermessensgründen versehenen Rücknahmeentscheidung gegolten hätte, insbesondere ob und ggf. welche verfassungsrechtlichen Grenzen für die Rückgängigmachung des gesetzlichen Erwerbs der Staatsangehörigkeit eines Kindes durch rückwirkende Aufhebung der Aufenthaltstitels des Elternteils bestehen. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil vom 24.05.2006 dem Gesetzgeber nahe gelegt, Auswirkungen eines Fehlverhaltens im Einbürgerungsverfahren auf den Bestand der Staatsangehörigkeit Dritter, die an diesem Fehlverhalten nicht beteiligt waren, gesetzlich zu regeln. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts könnte es sich für den Gesetzgeber empfehlen, auch die vorliegende Fallkonstellation bei der bevorstehenden Befassung mit staatsangehörigkeitsrechtlichen Fragen mit zu bedenken.

BVerwG, Urt. v. 05.09.2006 – BVerwG 1 C 20.05

Quelle/Autor: Horst Wüstenbecker  

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