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Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen: Entziehung der Fahrerlaubnis bei Straftaten der allgemeinen Kriminalität

Der Vorlage lagen drei Urteile zugrunde, durch die den Angeklagten jeweils die Fahrerlaubnis entzogen worden war. In dem einen Fall war der wegen Betruges verurteilte Angeklagte mehrfach mit einem Kraftfahrzeug zu Tankstellen gefahren, bei denen sein Mittäter absprachegemäß gesperrte Kreditkarten zur Bezahlung getankten Benzins und anderer gekaufter Waren vorgelegt hatte. In dem weiteren Fall hatte der wegen schwerer räuberischer Erpressung verurteilte Angeklagte die Tatbeute, nämlich Schmuck, Bargeld und mehrere afrikanische Skulpturen, mit seinem Pkw vom Tatort abtransportiert. In dem dritten Fall hatte der wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilte Angeklagte für die einzelnen Beschaffungsfahrten seinen Pkw benutzt. Auf die Revisionen der Angeklagten hat der Generalbundesanwalt jeweils die Aufhebung des Maßregelausspruchs beantragt, weil allein die Benutzung eines Kraftfahrzeugs zur Begehung der abgeurteilten Straftaten die für die Entziehung der Fahrerlaubnis vorausgesetzte charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht belege.

Der Große Senat für Strafsachen hat entschieden, die im Strafgesetzbuch enthaltene Vorschrift über die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) bezwecke den Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs; die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit bei Taten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs setze daher voraus, daß die Anlaßtat tragfähige Rückschlüsse darauf zulasse, daß der Täter bereit sei, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen.

Der Große Senat für Strafsachen sieht sich hierin in Übereinstimmung mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der neueren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur verwaltungsrechtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis. Maßstab für die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis ist demgemäß die in die Zukunft gerichtete Beurteilung der Gefährlichkeit des Kraftfahrers für den öffentlichen Straßenverkehr. Dazu hat der Große Senat für Strafsachen herausgestellt, es verstehe sich nicht von selbst, daß ein Täter, der durch die Begehung schwerwiegender oder wiederholter Straftaten zweifellos charakterliche Mängel offenbart hat, zugleich eine Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellt. Soweit die mangelnde Zuverlässigkeit des Täters in Bezug auf Verkehrssicherheitsbelange in der abgeurteilten Straftat keinen hinreichenden Ausdruck gefunden hat, ist deshalb für eine strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis schon nach dem Wortlaut des § 69 Abs. 1 Satz 1 des Strafgesetzbuchs („wenn sich aus der Tat ergibt“) kein Raum.

Die Beurteilung der Eignungsfrage im Sinne der genannten Strafvorschrift liegt in erster Linie in der Verantwortung des Tatrichters, der diese Aufgabe - in der Regel aufgrund eigener Sachkunde - unter Würdigung aller dafür "aus der Tat" erkennbar gewordenen rechtserheblichen Anknüpfungstatsachen vorzunehmen hat. Der Tatrichter muß sich die Überzeugung verschaffen, daß die von ihm festgestellten Umstände des Einzelfalls den konkreten Anhalt begründen, der Täter stelle eine Gefahr für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs dar.

Beschluß vom 27. April 2005 - GSSt 2/04 -

LG Essen - 26 (22/02) 71 Js 30/01 und 25 (38/02) 71 Js 540/02 sowie LG Detmold - 4 KLs 23 Js 338/02

Karlsruhe, den 30. Mai 2005

Anlage: Text des § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB

Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.

Quelle/Autor: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs  

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